Unbekannte Geräusche dringen zu Lilly hervor. Ganz verschlafen blinzelt sie erst mit dem einen und dann mit dem anderen Auge, reckt und räkelt sich, bevor sie sich entschließt, für
den neuen Tag zu erwachen.
Was ist das nur? So etwas habe ich zuvor noch nie gehört, denkt sie, als sie sich umschaut. Marie schläft noch tief und fest.
"Guten Morgen du Langschläferin. Hast du gut geschlafen?", begrüßt Florian sie. Jetzt erst bemerkt sie, dass er bereits ein duftendes Frühstück vorbereitet hat.
"Ja, wie ein Stein.", antwortet Lilly und schaut hinaus aufs Meer. Riesige Wellen bäumen sich auf und kommen dem Ufer beängstigend näher. Lilly fällt vor Staunen die Kinnlade herunter. Die weiße Gicht verteilt sich über den Strand und sieht aus wie kleine weiße Wolken, die auf die Erde herabgefallen sind. Was für ein Naturschauspiel. Lilly kann sich nicht satt sehen. Daher also das ungewöhnliche Geräusch.
Der Wind weht heute früh sehr heftig und der Sand hinterlässt auf Lillys Gesicht kleine Stiche. Das findet sie weniger lustig. In diesem Moment hört sie, wie Marie erwacht: "Uaaaahhhhhhh! Guten Morgen allerseits. Was für eine Nacht und wie schön ich geträumt habe."
"Wir dachten schon, du wachst überhaupt nicht mehr auf.", begrüßt Florian die Schlafmütze Marie.
"Frühstück ist fertig und dann wird es Zeit, aufzubrechen.", fügt er hinzu.
Als sich alle um den "Frühstückstisch" versammelt haben und leckeren frischen Fisch, kleine aromatische Insekten und köstlichen Nektar verspeist haben, verkündet Florian ihnen, dass er heute etwas ganz Besonderes im Sinn hat. Lilly und Marie sind ziemlich neugierig, aber Florian verrät kein Wort über seine Pläne.
Schnell ist alles verstaut, Lilly packt ihr Ränzlein und wieder beginnt der Aufstieg in Florians Gefieder: "Alle bereit für den Start?", ruft er seinen Passagieren zu.
"Es kann losgehen.", schreit Marie
Mit einem kräftigen Stoß hebt Florian ab und muss mit seinen starken Flügeln gegen den heftigen Wind ankämpfen. Es wird eine recht wackelige Angelegenheit und Lilly überkommt eine unangenehme Übelkeit. Als Florian seine Flughöhe erreicht hat, wird es etwas ruhiger. Lilly und Marie riskieren nun einen Blick und sehen unter sich das tief blaue Meer, auf dem sich Segelboote und riesige Schiffe tummeln. Über ihnen ziehen die Wolken in den unterschiedlichsten Formen an ihnen vorüber, Flugzeuge kreuzen am Himmel ihre Wege und hinterlassen ihre Spuren, Möwen ziehen kreischend an ihnen vorbei, um sich im Sturzflug auf das Meer zuzubewegen. In der Hoffnung, ein fliegender Fisch geht ihnen ins Netz oder besser gesagt in die Krallen. Lilly kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Die Stadt unter ihnen wird immer kleiner und verschwindet nun ganz aus ihrem Blickfeld. Nun sehen sie nichts, als das unsagbar weite Meer und den Wolken durchzogenen Himmel, mit seiner ganz eigenen Lebendigkeit. Die Sonne blinzelt immer wieder hervor und hinterlässt zauberhafte Malereien auf dem inzwischen ruhiger gewordenen Meer.
Versunken in diesen himmlischen Anblick, genießt Lilly all das, was sie zu sehen bekommt und ist von Herzen dankbar, dass sie diese Entscheidung getroffen hat. Das Abenteuer ihres Lebens einzugehen, Neues zu entdecken, raus aus alten Gewohnheiten und dem täglichen Einerlei. Tiefe Dankbarkeit über ihren Mut macht sich in ihr breit.
Wie aus der Ferne vernimmt sie eine Stimme. Es ist Florian: "Festhalten, ich setze zur Landung an." "Wo in aller Welt will er denn hier landen?", fragt Lilly Marie.
"Warts ab, das wirst du gleich sehen." erwidert Marie.
Und schon ist es vollbracht. Florian landet auf dem Bug eines riesigen Schiffes. Lilly verschlägt es die Sprache.
"Da staunst du, was.", weckt Marie Lilly aus ihren Gedanken.
"Das ist ja unglaublich. Wo sind wir?", möchte Lilly wissen.
"Auf einem Kreuzfahrt-Segelschiff.", antwortet Florian. "Ich war schon auf vielen dieser Schiffe, hier gibt es immer so leckeres Essen und viel zu sehen."
"Wo fährt dieses Schiff denn hin?", möchte Lilly wissen.
"Keine Ahnung.", entgegnet Marie. "Aber es macht riesigen Spaß, sich hier umzuschauen."
Lilly und Marie verlassen nun ihre Flugposition und begeben sich an Deck.
"Du musst unbedingt mit mir in die Bordküche. Da wirst du staunen. Dort gibt es so viele Leckereien und es duftet köstlich. Allerdings geht es dort ziemlich hektisch und laut zu. Achja, und heiß ist es dort ebenfalls. Aber das darfst du dir nicht entgehen lassen." So machen sich Marie und Lilly auf den Weg zur Bordküche. Florian bleibt an Deck - logischerweise und verspricht zu warten, bis beide wieder zurück sind. Das kann dauern.
In der Tat. Stunden später fällt Florian fast über die Reling, so müde ist er vom Warten. Plötzlich entdeckt er etwas auf der Wasseroberfläche. Ist das vielleicht etwas Essbares. Er kommt fast um vor Hunger. Er hebt ab und schaut sich die Angelegenheit aus der Nähe an. Bingo, hier hat wohl jemandem sein Mittagessen nicht geschmeckt. Hungrig stürzt sich Florian auf die köstliche Mahlzeit und fliegt damit zurück an Bord. Als er alles verspeist hat, breitet er seine Flügel aus, um sich auf einem der Segelmasten nieder zu lassen. Nun gönnt er sich erstmal ein Mittagsschläfchen.
Darüber vergisst er Marie und Lilly vollkommen.
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